Quasimodogeniti | Wie neugeborene Kinder | 19. April 2020

1. Wo sind wir im Kirchenjahr?

„Weißer Sonntag“ wird dieser Sonntag nach Ostern auch genannt. In der frühen Kirche war es üblich, dass Taufen (von Erwachsenen) im Gottesdienst der Osternacht stattfanden. Bis zum Sonntag nach Ostern nahmen diese Neugetauften in ihren weißen Taufgewändern an den Gottesdiensten teil, die in der Osterwoche täglich gefeiert wurden.

Das weiße Taufgewand steht für das, was uns in der Auferstehung von Christus erworben ist: ein neues Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Durch die Heilige Taufe sind wir von dem frei gemacht, was uns von Gott trennt. Sünde und Schuld sind abgewaschen und wie Christus von den Toten auferweckt ist und lebt, dürfen auch wir unbefleckt und untadelig vor Gott treten, ein neues Leben führen. Dass Glaube immer auch eine sehr fragile Sache ist, zeigt die Geschichte vom „ungläubigen“ Thomas, die im Evangelium für diesen Sonntag berichtet wird. Erst die Begegnung mit dem Auferstandenen lässt alle Zweifel von ihm abfallen. Das ist Zeichen dafür, dass wir die Begegnung mit dem Auferstandenen durch sein Wort und durch seine Gegenwart im Heiligen Abendmahl immer wieder brauchen, damit unser Glaube gestärkt wird.

2. Tagesgebet:

Allmächtiger Gott, durch die Auferstehung deines Sohnes hast du uns von neuem geboren zu einem Leben voll Hoffnung und unvergänglicher Freude. Wir bitten dich: Schenke uns und allen Getauften deinen Frieden und hilf uns, im Glauben durch diese Welt zu gehen. Das bitten wir durch unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.

3. Lied des Tages: Mit Freuden zart (ELKG 81)

1. Mit Freuden zart / zu dieser Fahrt / lasst uns zugleich fröhlich singen, / beid, Groß und Klein, / von Herzen rein / mit hellem Ton frei erklingen. / Das ewig Heil / wird uns zuteil, / denn Jesus Christ / erstanden ist, / welchs er lässt reichlich verkünden.

2. Er ist der Erst, / der stark und fest / all unsre Feind hat bezwungen / und durch den Tod / als wahrer Gott / zum neuen Leben gedrungen, / auch seiner Schar / verheißen klar / durch sein rein Wort, / zur Himmelspfort / desgleichen Sieg zu erlangen.

3. Singt Lob und Dank / mit freiem Klang / unserm Herrn zu allen Zeiten / und tut sein Ehr / je mehr und mehr / mit Wort und Tat weit ausbreiten: / So wird er uns / aus Lieb und Gunst / nach unserm Tod, / frei aller Not / zur ewigen Freud geleiten.

4. Geistlicher Impuls zum Evangelium (Johannes 20,19-29)

Thomas antwortete und sprach zu ihm (dem auferstandenen Jesus): Mein Herr und mein Gott! (Joh.20,28)

Der Apostel Thomas begleitet mich seit vielen Jahren. In meiner Zeit als Pfarrer an der Lüneburger St.Thomaskirche stand mir das Bekenntnis „Mein Herr und mein Gott“ in den Kirchenfenstern sonntäglich vor Augen. Als Vakanzvertreter betreue ich im Moment die St. Thomas-Gemeinde in Widdershausen. Und in der Christuskirche in Melsungen ist die Begegnung zwischen Thomas und dem auferstandenen Christus eine der vier Darstellungen an den Enden der Kreuzesbalken vom Altarkruzifix. Es ist die Darstellung am oberen Ende des Längsbalkens, steht also über dem Gekreuzigten und stellt dadurch vor Augen, dass Christus lebt, dass er den Tod überwunden hat.

Ich hege eine große Sympathie für Thomas. Er ist für mich das Sinnbild eines Menschen, der versucht, eigene Erfahrungswelt und Glauben zusammenzubringen. Damit ist er Menschen unserer Zeit und gerade auch mir selbst sehr nahe. Ich bin ein Mensch, der gerne genau dies möchte, die eigene Erfahrungswelt mit den Aussagen des Glaubens in Einklang bringen. Wo ich das Gefühl habe, dass es nicht passt, fängt es dann an, schwierig zu werden.

So ist es Thomas auch ergangen. Auferstehung von den Toten ist etwas, was außerhalb unserer Erfahrungswelt liegt. Dass Thomas im Gespräch mit denen, die den Auferstandenen gesehen hatten, darauf besteht, die Wundmale zu berühren, also die eindeutigen Zeichen des Todes von Jesus, zeigt, dass er so etwas wie eine Halluzination oder eine Wunschvorstellung ausschließen will. Erklärungsversuche dieser Art finden sich auch heute. Und es fällt schwer, mit rein rationalen Argumenten dagegen anzugehen. Dass die Auferstehung von Jesus tatsächlich geschehen ist, dass es sich um eine leibliche Auferstehung handelt, dass Jesus wirklich tot gewesen ist und jetzt lebt, lässt sich mit unserer Erfahrungswelt nicht in Einklang bringen.

Die Begegnung mit dem Auferstandenen verändert bei Thomas alles. Dass Christus ihn in seinem Anliegen ernst nimmt, zeigt sich in der Aufforderung, tatsächlich die Hand in seine Seite zu legen. Dass Thomas das dann gar nicht mehr braucht, macht deutlich, dass es darauf letztlich nicht ankommt. Wesentlich ist die persönliche Zuwendung des Auferstandenen.

Begegnung mit dem Auferstandenen passiert auch heute noch. Vielleicht ist uns in dieser Zeit der Kontaktbeschränkungen in besonderer Weise deutlich geworden, wie wichtig auch die Gemeinschaft in der christlichen Gemeinde dafür ist. Gottesdienste, die gemeinsam gefeiert werden, Zusammenkünfte, in denen Gottes Wort verkündigt wird, in denen gemeinsam gebet, gemeinsam gesungen wird, sind wichtig. Nicht umsonst ist im Neuen Testament von den „Versammlungen“ die Rede, davon, dass die Christen beständig in „der Gemeinschaft“ blieben. Auch die Begegnung zwischen dem Auferstandenen und Thomas fand in der Versammlung statt. Andachten, Predigten oder auch Schreiben, die über das Internet, per Telefon, schriftlich angeboten werden, können kein vollständiger Ersatz für die Zusammenkünfte der christlichen Gemeinde sein. Sie sind in einer Zeit, in der ein Zusammenkommen eine Gefährdung darstellt, wohl Notlösung, doch nicht das, was christliche Gemeinde ausmacht und wo uns Begegnung mit dem Auferstandenen verlässlich zugesagt ist. Hier ist sicherlich noch Geduld gefragt. Genauso aber auch das Gebet, dass diese Zeit der Krise bald überwunden sein möge.

Die Geschichte von Thomas zeigt mir, dass der Wunsch nach einer Begegnung mit dem Auferstandenen eine ganz große Berechtigung hat. Amen.

5. Gebet

Gütiger Gott, du hast deinen Sohn nicht im Tod gelassen, sondern auferweckt, damit auch wir leben. Wir danken dir, dass durch die Kraft der Auferstehung der Tod besiegt ist. Schenke uns, dass wir diese Kraft immer wieder erfahren, dass wir in der Begegnung mit dem Auferstandenen unsere Zweifel überwinden und den Blick richten über Bedrängnis und Not hinaus auf das ewige Leben, das Christus für uns erworben hat.

Beende bald die Zeit der Bedrohung und der Einschränkungen unseres täglichen Lebens. Lass uns bald zusammenkommen können um gemeinsam dein Lob zu singen, zu dir zu beten und in Gemeinschaft vor dir dem Auferstandenen zu begegnen. 

Das bitten wir um deines Sohns Jesus Christus willen, der, vom Tode erstanden, mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben schenkt in Ewigkeit. Amen.

Herausgegeben vom Pfarramt der Christusgemeinde Melsungen (SELK), Pfarrer Jörg Ackermann, Tränkelücke 6, 34212 Melsungen, Telefon 05661-2221, melsungen@selk.de

Erscheinungsdatum 18.4.2020
Bibelzitate aus der Lutherbibel (Revision 2017), © Deutsche Bibelgesellschaft 2016
Bestimmt für die Gemeinden der SELK im Gemeindebezirk Homberg (Efze), Schlierbach, Berge-Unshausen, Melsungen und Widdershausen-Obersuhl
Weitergabe erwünscht und erbeten.
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