1. Wo sind wir im Kirchenjahr?
Ob es dieselben Menschen waren, die erst „Hosianna“ und wenig später „kreuzige ihn“ schrien, sei einmal dahingestellt. In den Berichten der Evangelien wird der Kontrast deutlich hervorgehoben: auf der einen Seite ist Jesus der, auf den die Hoffnungen von Menschen gesetzt sind, auf der anderen Seite der, der in Leiden und Tod hineingeht. Begrüßt als der „König von Israel“, als Hoffnungsträger, scheint er in tiefstes Scheitern hineinzugehen. Dass dieses vermeintliche Scheitern dann den Sieg bringt und uns Hoffnung, wird sich erst am Ende der Karwoche zeigen, in die wir mit dem Palmsonntag hineintreten.
2. Tagesgebet:
Heiliger Herr und Gott, für uns ist dein Sohn Mensch geworden und hat das Kreuz erlitten. Hilf uns, das Geheimnis deiner Liebe vor Augen zu behalten, an Jesus zu bleiben und mit ihm zur Auferstehung zu gelangen. Der du, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist lebst und regierst in Ewigkeit. Amen.
3. Lied des Sonntags: Du großer Schmerzensmann (ELKG 66)
1. Du großer Schmerzensmann, / vom Vater
so geschlagen, / Herr Jesu, dir sei Dank / für alle deine Plagen: / für deine
Seelenangst, / für deine Band und Not, / für deine Geißelung, / für deinen
bittern Tod.
2. Ach das hat unsre Sünd / und Missetat verschuldet, / was du an
unsrer statt, / was du für uns erduldet. / Ach unsre Sünde bringt / dich an das
Kreuz hinan; / o unbeflecktes Lamm, / was hast du sonst getan?
3. Dein Kampf ist unser Sieg, / dein Tod ist unser Leben; / in
deinen Banden ist / die Freiheit uns gegeben. / Dein Kreuz ist unser Trost, / die
Wunden unser Heil, / dein Blut das Lösegeld, / der armen Sünder Teil.
4. O hilf, dass wir auch uns / zum Kampf und Leiden wagen / und
unter unsrer Last / des Kreuzes nicht verzagen; / hilf tragen mit Geduld / durch
deine Dornenkron, / wenn’s kommen soll mit uns / zum Blute, Schmach und Hohn.
5. Dein Angst komm uns zugut, / wenn wir in Ängsten liegen; / durch
deinen Todeskampf / lass uns im Tode siegen; / durch deine Bande, Herr, / bind
uns, wie dir’s gefällt; / hilf, dass wir kreuzigen / durch dein Kreuz Fleisch
und Welt.
6. Lass deine Wunden sein / die Heilung unsrer Sünden, / lass uns
auf deinen Tod / den Trost im Tode gründen. / O Jesu, lass an uns / durch dein
Kreuz, Angst und Pein / dein Leiden, Kreuz und Angst / ja nicht verloren sein.
4. Geistlicher Impuls zum Wochenspruch (Johannes 3,14b.15)
Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
Wie geht eigentlich Erhöhung? Erster Gedanke: Das muss irgendwie etwas mit Groß-Machen zu tun haben. Da wird jemand in besonderer Weise herausgestellt, am besten noch so, dass alle ihn als besonders erkennen können.
Damit wären wir beim Einzug von Jesus in Jerusalem: Die Menge zeigte sich begeistert, sie haben ihm einen ganz großen Bahnhof bereitet. Auch wenn Jesus „nur“ auf einem Esel einzieht, bei weitem keinem königlichen Tier, nennen sie ihn „König von Israel“. Und auch wenn Palmzweige im damaligen Judentum symbolisch gedeutet wurden auf die Unabhängigkeit Israels hin, so sind es doch keine ausgesprochenen Herrschaftszeichen.
Der Einzug von Jesus in Jerusalem ist nicht die Erhöhung. Das wäre deutlich zu wenig. Damit hätte man keinen Eindruck geschunden, ganz besonders nicht bei denen, von denen man sich gerne befreit hätte, bei den Römern. Die waren da ganz andere Sachen gewohnt.
Die Erhöhung von Jesus, dem Menschensohn ging dann völlig anders. Sie ging so vor sich, dass sie nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen gewesen ist. Sie geschah da, wo Jesus tatsächlich in Leiden und Sterben hineingegangen ist, sie geschah bei seinem Tod am Kreuz.
In den Passionsberichten der Evangelien werden die Umstände der Kreuzigung ziemlich plastisch geschildert, bis hin zu den Naturereignissen, die die Kreuzigung begleitet haben. Von Finsternis ist da die Rede, von einem gewaltigen Erdbeben. Die Natur selbst scheint in große Unruhe geraten zu sein. Das muss so beeindruckend oder gar erschreckend gewesen sein, dass selbst der römische Hauptmann des Kreuzigungstrupps, der sicherlich einiges aushalten konnte, zu der Aussage kam: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen.“
Die bevorstehende Karwoche wird anders sein als die Karwochen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben. Wir werden nicht in Gemeinschaft den Leidensweg von Jesus nachgehen können und uns dabei auf die gemeinsame Osterfeier freuen. Es wird sehr viel stiller sein als wir das gewohnt sind. Vielleicht macht uns das dann aber auch deutlich, dass die Erhöhung von Jesus keine Handlung unsererseits ist. Nicht die Verehrung durch Menschen führt zum Heil, sondern das Handeln Gottes.
Gott selbst ist es, der seinen Sohn in Leiden und Tod gibt und in diesem Leiden und Sterben von Christus wird Menschen das Leben geschenkt. Das stellt allgemeine Vorstellungen von Erhöhung auf den Kopf. Es stellt aber auch eine allgemeine Vorstellung von dem auf den Kopf, was einen Gott ausmacht. Unser Gott selbst geht in tiefstes Leiden, geht gar in den Tod, um uns Leben zu geben. Darin liegt die Erhöhung. Amen.
5. Gebet
Jesus, wir gehen mit dir in die Woche deines Leidens. Wir blicken auf das, was du auf dich genommen hast, um uns zu erlösen und uns ewiges Leben zu geben.
Wir bitten dich. Mach uns gewiss, dass du auch mit uns gehst in das, was vor uns liegt. In der Unsicherheit unserer Tage schenke du uns die Zuversicht, dass du uns nicht verlässt, dass du bei uns bist, dass du uns zum Leben führst.
Sei mit allen, die von Krankheit betroffen sind; stehe allen bei, die sich um die Erkrankten kümmern. Lass uns nicht müde werden, anderen beizustehen mit unserer Tat und mit unserem Gebet.
Dir sei Ehre in Ewigkeit. Amen.
Herausgegeben vom Pfarramt der Christusgemeinde Melsungen (SELK), Pfarrer Jörg Ackermann, Tränkelücke 6, 34212 Melsungen, Telefon 05661-2221, melsungen@selk.de
Erscheinungsdatum 5.4.2020
Bibelzitate aus der Lutherbibel (Revision 2017), © Deutsche Bibelgesellschaft
2016
Bestimmt für die Gemeinden der SELK im Gemeindebezirk Homberg (Efze),
Schlierbach, Berge-Unshausen, Melsungen und Widdershausen-Obersuhl
Weitergabe erwünscht und erbeten.
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