Miserikordias Domini | „Hirtensonntag“ | 26. April 2020

1. Wo sind wir im Kirchenjahr?

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ – Der 23. Psalm ist wahrscheinlich der bekannteste Psalm überhaupt. Das Bild vom guten Hirten, der sich um seine Herde – und jede/n einzelne/n darin – kümmert, ist ganz elementar. Ein grundsätzliches Vertrauen kommt darin zum Ausdruck.

Der auferstandene Christus ist derjenige, der sich um die Seinen kümmert, der sie sammelt und zusammenhält. So wird deutlich, dass Kirche nicht einfach eine Interessengemeinschaft ist. Sie ist bestimmt und definiert als Herde Christi, als diejenigen, die von ihm und um ihn versammelt sind.

2. Tagesgebet:

Herr Jesus Christus, du bist der gute Hirte, du führst uns zusammen und kümmerst dich um uns. Wir bitten dich: Halte uns stets bei dir. Suche und sammle die, die von dir getrennt sind. Lass uns mit ihnen auf deine Stimme hören. Der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und regierst in Ewigkeit. Amen.

3. Lied des Tages: Es kennt der Herr die Seinen (ELKG 534)

1) Es kennt der Herr die Seinen und hat sie stets gekannt, / die Großen und die Kleinen in jedem Volk und Land. / Er lässt sie nicht verderben, er führt sie aus und ein; / im Leben und im Sterben sind sie und bleiben sein.

2) Er kennet seine Scharen am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut; / der aus dem Wort gezeuget und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget und mit dem Wort sich wehrt.

3) Er kennt sie als die Seinen an ihrer Hoffnung Mut, / die fröhlich auf dem einen, dass er der Herr ist, ruht, / in seiner Wahrheit Glanze sich sonnet, frei und kühn, / die wundersame Pflanze, die immerdar ist grün.

4) Er kennt sie an der Liebe, die seiner Liebe Frucht / und die mit lauterm Triebe ihm zu gefallen sucht; / die andern so begegnet, wie er das Herz bewegt, / die segnet, wie er segnet, und trägt, wie er sie trägt.

5) So hilf uns, Herr, zum Glauben und halt uns fest dabei; / lass nichts die Hoffnung rauben; die Liebe herzlich sei! / Und wird der Tag erscheinen, da dich die Welt wird sehn, / so lass uns als die Deinen zu deiner Rechten stehn!

4. Geistlicher Impuls zum Wochenspruch (Johannes 10,11a.17-18a)

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.

Suchmaschinen im Internet machen Vorschläge für Suchbegriffe. Das dient der Bequemlichkeit des Nutzers, er muss nicht das ganze Wort eintippen, meist reichen schon die ersten Buchstaben. Diese Suchmaschinen verwenden dafür einen Algorithmus, um vorherzusagen, welchen Begriff der Nutzer wohl meinen könnte. Darin fließt neben dem üblichen Suchverhalten des Nutzers auch ein, welche Begriffe allgemein gerade häufig gesucht werden. Bei mir kam in der vergangenen Woche bei „Herd“ schon gleich als oberster Vorschlag in der Reihe das Wort „Herdenimmunität“. Gemeint ist damit, dass ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung Antikörper gegen das grassierende Virus in sich trägt und damit die Gefahr einer unkontrollierbar starken Ausbreitung eingedämmt ist.

Es ist spannend, dass die Vorstellung von Menschen als einer Herde im positiven Sinn gebraucht wird. Sonst ist diese Vorstellung eher negativ besetzt: Herdenmensch oder Herdentrieb sind Beispiele dafür. Wir tun uns eher schwer damit, uns als Teil einer Herde zu sehen. Das gilt besonders dann, wenn mit Herde Schafherde verbunden wird. Wer will schon gerne ein Schaf sein? Das Lied „Weil ich Jesu Schäflein bin“ erfreut sich zwar einer gewissen Beliebtheit, doch scheint es mir, dass das auch in kirchlichen Kreisen nicht überall so ist. Dann steckt vielleicht eine etwas romantische Vorstellung von Hirte und Schafen dahinter, wie bei dem großen Bild, das in der Wohnung meiner Großeltern hing: In sanftem Mondlicht sitzt Jesus – mit tadelloser Frisur, in langem, strahlend weißen Gewand – auf einem Felsen, umgeben von einem halben Dutzend blütenweißen, fluffigen Schäflein.

Lässt man das Romantische einmal weg, so bleibt bei der Vorstellung vom Hirten und den Schafen das innige Vertrauensverhältnis. Christus macht das deutlich, indem er sich selbst als den guten Hirten bezeichnet. Dahinter steckt ein Wort aus dem Alten Testament, in dem Gott selbst ein vernichtendes Urteil über die Hirten Israels spricht. Gemeint sind die geistlichen Leiter, die ihrer Aufgabe, die Menschen zu Gott zu führen und bei ihm zu halten, nicht gerecht geworden sind. Gott kündigte dann an, sich selbst kümmern zu wollen. Jesus bezeichnet sich als guten Hirten und sagt damit: So soll ein Hirte sein. Dieser Hirte handelt richtig, er redet richtig und er fühlt richtig. Ihm, dem guten Hirten kann man getrost vertrauen. Der ist verlässlich.

Nun kann man Vertrauen nicht erzwingen. Vertrauen ist etwas, was wachsen muss, was sich bewähren muss. Das gilt in besonderer Weise in Situationen, in denen das bislang Gewohnte nicht mehr gilt, nicht mehr wirklich tragfähig ist. In Krisensituationen wird immer nach dem Stabilen gefragt, wird das gesucht, was tragfähig ist, worauf man sich verlassen kann. Das gilt auch für Menschen, die fest in der christlichen Gemeinde verwurzelt und verankert sind. Wo Ungewissheit und Unsicherheit da sind, brauchen wir etwas, an das wir uns halten können. Dass dabei selbst die gewohnten Gottesdienstformen, das Miteinander am Sonntagmorgen, der Austausch mit Glaubensgeschwistern nicht immer da sein können (und damit auch keinen Halt geben können), haben wir in den vergangenen Wochen deutlich und manchmal schmerzhaft erfahren müssen.

Das ändert nicht die Zusage von Jesus. Er ist der gute Hirte. Er ist derjenige, dem wir wirklich am Herzen liegen, der alles für uns tut und der jederzeit auch für uns da ist. Gerade in solchen schwierigen und aufgeregten Zeiten soll uns das deutlich vor Augen stehen. Ob man dabei das Bild vom Hirten und seiner Herde heranzieht oder es gar romantisch ausmalt, sei jedem selbst überlassen. Wichtig ist der Inhalt, die Aussage: Christus kümmert sich um uns, er schenkt ewiges Leben. Das ist eine Aussicht, die über sämtliche Beschränkungen dieser Welt hinausgeht und die es dann auch möglich macht, mit den Beschränkungen in dieser Welt zu leben. Wir dürfen wissen, auf wen wir uns verlassen können, nämlich auf Christus, den guten Hirten. Amen.

5. Gebet

Ewiger Gott, in deinem Sohn Jesus Christus, dem guten Hirten, bist du uns nahe. Im Vertrauen auf ihn bitten wir dich: Schenke allen, die Verantwortung übernehmen für Menschen, insbesondere im Dienst an Kranken, dass sie das mit Freude tun und sich nicht entmutigen lassen. Wir bitten für alle, die gern an deine Wegleitung glauben möchten, sich aber in ihren Zweifeln quälen, dass sie deine liebevolle Zuwendung erfahren. Wir bitten für uns, dass unser Vertrauen in Christus immer wieder gestärkt wird und wir so getrost und zuversichtlich in dieser vergehenden Welt leben können.

Das bitten wir um deines Sohns Jesus Christus willen, der, vom Tode erstanden, mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben schenkt in Ewigkeit. Amen.

Herausgegeben vom Pfarramt der Christusgemeinde Melsungen (SELK), Pfarrer Jörg Ackermann, Tränkelücke 6, 34212 Melsungen, Telefon 05661-2221, melsungen@selk.de

Erscheinungsdatum 25.4.2020
Bibelzitate aus der Lutherbibel (Revision 2017), © Deutsche Bibelgesellschaft 2016
Bestimmt für die Gemeinden der SELK im Gemeindebezirk Homberg (Efze), Schlierbach, Berge-Unshausen, Melsungen und Widdershausen-Obersuhl
Weitergabe erwünscht und erbeten.
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